Sachrechnen

Sachaufgaben – der ewige Schülerschreck

Wir kaufen uns ein Eis

Verstehen, was passiert – das A und O bei Sachaufgaben

Für uns ist die Sache ganz klar: Wir erfassen auf Anhieb, wer welches Eis bekommt und wie man das dann zusammenzählt.
Aber glaub ja nicht, dass das sooo selbstverständlich ist.
Jetzt kannst du mit den verschiedenen Tricks anrücken, die angeblich das Aufdröseln des Ganzen erleichtern, z.B. :
Unterstreiche die wichtigen Informationen.
Es kann dir dann passieren, dass sowas rauskommt:

Wer in Gedanken eine Aufgabe so strukturieren kann, dass er das Wichtige herausfiltert, ist ja schon einen Schritt weiter als die „armen Würstchen“, die dasitzen und erst einmal gar nichts kapieren. Aber diese Kinder sind doch deshalb nicht doof. Die brauchen einfach andere Zugangswege, und da sind wir Profis gefragt.
Du kannst jetzt jammern, dass die Kinder einfach nichts checken oder du kannst die Sache sportlich sehen: „Wäre ja gelacht, wenn ich das nicht hinkriege.“
Bei „sportlich“ hast du auf alle Fälle mehr Spaß und deine Schüler profitieren davon.
Ich möchte dir jetzt eine sehr einfache und absolut wirkungsvolle Herangehensweise für Sachaufgaben jeder Art ans Herz legen.

Das Situationsmodell – der Königsweg zum Begreifen

Es geht darum, dass die Kinder verstehen, was eigentlich in der Geschichte passiert und wie sie das Ganze lösen können.
In der Eistüten-Aufgabe stecken einige sprachliche Finessen drin. Das Wort „jeweils“ ist zum Beispiel eine davon. Aber auch „große“, „mittlere“ oder „kleine“ sind beileibe nicht für alle Kinder auf Anhieb verständlich.
Es wäre sehr sinnvoll, wenn wir uns immer vor Augen halten, was wir eigentlich wollen:
„Ist das jetzt ein Sprachkurs oder sollen die Kinder rechnen?“
Die Antwort ist klar: „Rechnen natürlich!
Also tragen wir doch dazu bei, dass sie überhaupt erst einmal an den Start gehen können, indem sie verstehen, was das Ganze soll.
Gerade in Klassen, in denen Kinder mit Migrationshintergrund sitzen, ist das absolut notwendig, dass wir Kommunikationskanäle finden, die bei jedem Schüler ankommen.
Und was versteht jeder auf der ganzen Welt ohne Worte?
Handlungen und Bilder. Und da setzen wir an und das ist außerdem viel unterhaltsamer als das bloße Auspressen von Texten nach ihrer Bedeutung.

Die Magie der Playmobilmännchen oder als Ersatz wenigstens ein Bild

Handeln mit Gegenständen oder mit beweglichen Gegenstandssymbolen ist immer der erste Schritt zum Verinnerlichen von Strukturen.

Bei der Eistüten-Aufgabe gibt es 5 Akteure:
Mama, Jonas, Tina, Sarah, Joachim.

Du kannst Playmobilfiguren aufstellen und Namensschilder dazulegen.
Sehr praktisch ist auch diese Variante:
Du kopierst dir aus dem Internet Bilder, laminierst sie und hast so einen Figurenvorrat für alle möglichen Aufgaben.
Die Akteure unserer Geschichte kannst du als Bildkarten an die Tafel heften.

Dann kommt als nächster Schritt: Wer isst welches Eis?
Auch die Eistüten lassen sich gut auf Kärtchen malen und anheften.

Jedes Kind, egal ob sprachlich schwach, muttersprachlich deutsch oder nicht, wird verstehen, was das bedeutet.
Dann fehlen uns noch die Preise:

Um das Ganze noch deutlicher zu machen, kannst du zu jedem Preisschild den Betrag mit Rechengeld legen.

Die Mutter bezahlt mit einem 10-Euro-Schein

Die Szene lässt sich auch nachspielen: Wieviel bekommt die Mutter zurück?
Da das Eis 9,60 € kostet und die Mutter 30 Cent Trinkgeld gibt, kann man darüber diskutieren, ob das nicht etwas seltsam ist, dass sie sich dann 10 Cent herausgeben lässt.
Man kann sich alternative Aufgabenstellungen ausdenken, z.B.:
Die Mutter hat einen Fünf-Euro-Schein und drei Zwei-Euro-Münzen. Wieviel bekommt sie heraus, wenn sie 30 Cent Trinkgeld gibt oder 40 Cent?
Würdest du in diesem Fall 40 Cent Trinkgeld geben? Hat die Mutter im Kopf noch nicht mitgerechnet und merkt erst beim Wechselgeld, dass sie eigentlich gleich 40 Cent geben könnte?

Jeder lernt auf seinem Niveau

Wenn die Kinder die Aufgabe dann im Heft rechnen, steht es jedem frei, das Bild zur Aufgabe etwas detaillierter und opulenter oder auch nur als knappe Skizze zu zeichnen.
Die verschiedenen Variationen für die Darstellung im Heft werden bei den ersten Malen noch gemeinsam entwickelt. Im Lauf der Zeit hat jedes Kind dann sein Repertoire an Möglichkeiten und kann sich von Fall zu Fall für eine davon entscheiden.
Wenn grundsätzlich die Möglichkeit der Situationsmodelle in deinem didaktischen Werkzeugkoffer vorhanden ist, dann kannst du bestimmte Aufgabentypen damit zunächst mit der ganzen Klasse aufbereiten.
Je fitter die Kinder sind, umso schlanker können die Modelle sein. Aber eine knappe Skizze gehört meiner Überzeugung nach immer zu einem verständnisbasierten Bearbeiten von Sachaufgaben.
Die unterschiedlichen Abstufungen – vom konkreten Bild bis zur abstrakten Skizze – ermöglichen es jedem, auf seinem eigenen Niveau zu arbeiten.
Unerlässlich ist es allerdings, dass jedes Kind dir genau erklären kann, was seine Skizze bedeutet und wie sie zum Rechenprozess in Beziehung steht.


Du wirst jetzt vielleicht finden, das sei doch etwas viel Aufwand für so eine einfache Aufgabe.
Ich sehe das anders: Wenn du von Anfang an, also bereits ab der ersten Klasse, Sachaufgaben mit Situationsmodellen erschließt, dann wird den Kindern auf diese Weise

  • erstens die Angst vor Sachaufgaben genommen
  • zweitens der Inhalt einer Rechengeschichte zuverlässig deutlich vermittelt
  • drittens ein Bearbeiten auf unterschiedlichen Schwierigkeitsniveaus möglich
  • viertens das Übersetzen eines Sachverhalts in eine mathematische Repräsentanz – also eine Gleichung – erleichtert
  • fünftens eine erfolgversprechende Herangehensweise an Problemlösen schlechthin eingeübt
  • sechstens ein Szenario zum mathematischen Argumentieren geschaffen
  • siebtens gerade den schwächeren Schülern eine Möglichkeit an die Hand gegeben, bei den verschiedenen Teilrechnungen einer Aufgabe immer wieder den Bezug zum Ganzen zu finden und so die Orientierung zu behalten
  • und noch einiges mehr

Vielleicht hast du jetzt Lust bekommen, diese Aufgabe mit deiner zweiten Klasse auszuprobieren?
Es werden weitere Aufgaben folgen, die hier konkret mit Situationsmodell vorgestellt werden.

Also: Bleib am Ball!