Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? – Niemand! – Wenn er aber kommt? – Dann laufen wir davon!
So einfach, wie es in dem alten Kinderspiel heißt, ist die Sache leider nicht, wenn es um Mathematik geht. Jeder muss im Laufe seines Schullebens zahlreiche Rechenstunden überstehen und überleben, schlicht: aushalten.
Davonlaufen gibt es hier nicht: alle müssen durch!
Wie gut haben es dagegen die Kinder, die am Rechnen Freude haben, die begreifen, was im Unterricht gemacht wird und die ihre eigenen Fortschritte wahrnehmen und sich darüber freuen können.
Der Rechenunterricht ist nicht gut genug
„Und warum sind das nur so wenige Kinder?“, könnte man mit Fug und Recht fragen. Eine Hauptrolle bei der ganzen Misere spielt sicher die schlechte Qualität des Rechenunterrichts in unseren Grundschulen.
Ich weiß, das ist eine sehr gewagte These, eine, die polarisiert und nicht besänftigt und glättet. Doch von Besänftigen und Schönreden haben wir längst genug. Die Mama, deren Kind an der schier unüberwindlichen Hürde unverständlicher Aufgaben verzweifelt, wird keine Lust mehr haben, sich mit Floskeln abspeisen zu lassen.
Doch was kann sie tun? Und was kann die Lehrerin tun, die merkt, dass sie mit ihrem Unterricht nicht annähernd den Erfolg erzielt, den sie sich vorstellt?
Nun – eine Lehrerin, die das feststellt, gibt zu Hoffnungen Anlass. Denn sie wird wahrscheinlich offen sein für andere pädagogische Wege als die bereits bestens bekannten.
Lehrer-Bashing ist keine Lösung
Eines ist mit Sicherheit kontraproduktiv: Auf „die“ Lehrer zu schimpfen und ihnen den schwarzen Peter zuzuschieben. Ihr müsst nicht glauben, dass Lehrer, die ja immerhin 8 Semester Studium und 2 Jahre Referendariat hinter sich haben, in ihrer sechsjährigen Ausbildungszeit unbedingt das lernen, was für einen gelungenen Unterricht nötig ist. Sie bekommen dann, wenn sie eine eigene Klasse führen, ein Rechenbuch, ein dazu gehöriges Lehrerhandbuch und den Lehrplan plus (in Bayern). Und dann sollen sie loslegen. Doch ein Rechenbuch Seite für Seite abzuarbeiten ist der allerbeste Weg, um ein Drittel der Klasse völlig abzuhängen und dem Rest jegliche Denk- und Rechenfreude auszutreiben. Nun ja, vielleicht nicht dem ganzen Rest: Manchmal sind ja Kinder dabei, die so unbedingt lernen und denken wollen, dass es auch der schlechteste Unterricht nicht verhindern kann.
Im Anfang liegt schon das Ende
So sagt die Weisheit des Ostens. Darum ist es so wichtig, in der ersten Klasse von Anfang an, und das heißt wirklich vom zweiten Schultag an, die Kinder mitzunehmen auf die spannende Reise in das wunderbare Land der Zahlen. Ich frage mich, ob wirklich irgendein vernünftiger Pädagoge glauben kann, dass das möglich ist mit Rechenbüchern, die den erwartungsfrohen und – noch! – lernbegierigen ABC-Schützen wochenlang in kleinsten Zahlenräumen immer wieder die gleichen Rechnungen vorsetzen.
Warum das nicht gut gehen kann, erkläre ich im nächsten Beitrag.
Zuvor spreche ich aber noch einen sehr zentralen Punkt an.
Jede Lehrerin, jede Mutter und jeder Vater haben ihre eigene mathematische Vorgeschichte
Und das ist nun wirklich nicht lustig. Denn wer erinnert sich schon gerne an die Rechenstunden der eigenen Schulzeit? Die allerwenigsten Erwachsenen, würde ich behaupten. Und weil das so ist, wird Rechenunlust und Matheversagen im Rückblick auf das eigene Schülerdasein auch nicht als besonders dramatisch angesehen. Im Gegenteil – ich habe den Eindruck, dass es eher hip und schick ist, wenn man mit Mathe nichts am Hut hat.
Aber wenn dann die eigenen Kinder in die Schule gehen, ist das Ganze plötzlich nicht mehr so lustig. Doch eines muss Eltern und Pädagogen klar sein: Wir sind sehr wichtige und mächtige Opinion Leaders für unsere Kinder. Wir müssen gar nicht darüber sprechen, dass wir Mathe langweilig, doof oder ws auch immer finden: Unsere Kinder haben allerfeinste Antennen. Sie nehmen gleichsam durch Osmose auf, was wir WIRKLICH denken. Da kann die Lehrerin noch so bemüht behaupten: „Jetzt machen wir ganz was Tolles!“ Wenn das nicht ihre ehrliche Meinung ist, dann sollte sie diesen Satz besser gleich hinunterschlucken. Das Gleiche gilt natürlich auch für jeden, der nachmittags dabei ist, wenn Hausaufgaben gemacht werden. Ehrliches Interesse und ehrliche Statements sind gefragt.
Was also können Erwachsene tun? Ganz einfach: Sie müssen erst einmal selber einen Zugang zu Mathe finden. So ist das halt mit Kindern: Wenn wir keine Vorbilder sind, werden wir schwerlich Nachahmer finden!