Als ich mich hinsetzte, um an dieser Aufgabe zu arbeiten, fragte mich mein Mann: „Was machst du gerade?“
Ich sagte ihm, ich würde eine Bewegungsaufgabe auf meinen Blog stellen.
Seine spontane Antwort: „Um Gottes willen – schrecklich! Die habe ich in der Schule nie verstanden!“
Und ein weiteres Beispiel aus der Schulzeit meiner Tochter fällt mir dazu noch ein:
In der gymnasialen Oberstufe wurden im Matheunterricht Vektorrechnungen durchgenommen.
Eines Tages war der Mathelehrer krank und der Direktor des Gymnasiums hielt die Vertretungsstunde. Er brachte ein Vektormodell mit, um die Rechnungen zu veranschaulichen.
Meine Tochter kam ganz begeistert von der Schule heim. „Jetzt weiß ich endlich, was wir da eigentlich ausrechnen!“ Bisher hatte sie einfach die Formeln angewandt, ohne zu wissen, was genau sie da eigentlich tat. Sie hatte also gerechnet „ohne Sinn und Verstand“ – das, was wir unbedingt vermeiden wollen!
Ist das nicht schrecklich? Wenn das Ergebnis einer jahrelangen Mathe-Beschulung nichts weiter ist, als dass man Jahrzehnte später noch mit Grauen an einzelne Themen denkt, von denen man ohnehin nie verstanden hat, was das Ganze eigentlich soll, oder wenn Schüler irgendwelche Formeln benutzen, ohne deren Bedeutung zu verstehen, dann ist das doch eine Bankrotterklärung des Rechenunterrichts. Und das Elend beginnt nicht erst im Gymnasium.
Es fängt bereits in den ersten Schulwochen an, wenn Kinder mit abstrakten Inhalten konfrontiert werden, statt mit ihnen lustvoll und handlungsorientiert die wunderbare Welt der Mathematik zu entdecken.
Anschauung hilft und Handeln macht Freude
Wenden wir uns also dem gefürchteten Thema „Bewegungsaufgaben“ zu.
Ich zeige dir für die folgende Aufgabe drei verschiedene Wege der Veranschaulichung und komme ganz zum Schluss auch auf die passende Formel.
ABER: Wenn Kinder verstehen, was sie da machen, dann kommen sie wunderbar ohne die Formel zurecht, indem sie einfach DENKEN!
Und in der Grundschule rechnen wir ohnehin noch nicht mit abstrakten Formeln.
Die drei verschiedenen Veranschaulichungen bewegen sich auf verschiedenen Abstraktionsniveaus. Das Ziel ist, dass solche Aufgaben von jedem Schüler auf seinem Niveau bearbeitet werden können, dass also jeder auf seine Kosten kommt – natürliche Differenzierung heißt das im Fachjargon.
Das ist die Aufgabe:
Das Situationsmodell:
Wenn Kinder diese Aufgabe lesen, dann ist bei vielen die erste Reaktion: „Das kann ich nicht!“ Warum gibt es diese Reaktion immer wieder? Meine Erklärung dafür: Kinder mit diesem Das-kann-ich-nicht-Denkmuster meinen, es müsse eine komplette Lösung vom Himmel fallen, direkt in ihren Kopf hinein und – abrakadabra – , dann sei die Aufgabe erledigt. Und nachdem keine Lösung vom Himmel fällt, ist für sie klar: Sie können es nicht.
Aber so funktioniert das eben nicht und Kinder, die in Mathe stark sind, denken auch nicht so. Das ist nur die Vorstellung der Hilflosen.
Doch egal, ob mathe-stark oder hilflos: Ich habe bei diesen Aufgaben noch nie erlebt, dass an das Aufbauen eines Situationsmodells lustlos herangegangen wurde. Da kann nämlich jeder etwas aktiv tun und das stärkt das Gefühl der Selbstwirksamkeit – das ist ja etwas sehr Wichtiges, wie wir aus der Psychologie wissen.
Erster Schritt: Die Strecke wird veranschaulicht:
Du klebst maßstabsgetreu die Fahrtstrecke mit Tesakrepp auf den Boden. Für die 245 km nimmst du 245 cm, also 2m 45 cm.
Jetzt brauchst du noch die beiden Fahrzeuge. Du solltest in deinem Fundus unbedingt eine Auswahl an Spielzeugautos haben.